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Hunter entdeckend
Anmeldedatum: 28.04.2016 Beiträge: 676
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 8:20 am Titel: Spiel mit dem Feuer... |
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Spiel mit dem Feuer
Ich klopfte an die Tür und trat in das Zimmer.
Er saß im Rollstuhl, die Hände zum Gebet gefaltet und schaute andächtig vor sich hin.
Ich hatte bereits vernommen, dass ein Neuer eingezogen war. Sein Name kam mir bekannt vor, dennoch war ich mir nicht sicher, ob er es wirklich war.
Ich wollte nicht stören, leise zog ich mich zurück, als ein heiseres Krächzen mich stoppte. „Willst du nicht einen alten Freund begrüßen?“
Er drehte sich zu mir um – da war es, das vertraute Lächeln, welches mich viele Jahre begleitete. „Jochen, alter Haudegen – was treibt dich ausgerechnet hier her?“ Wie früher hob er die Hand und wir klatschten ab. „Siehst doch, habe meine Maschine gegen ein neues Gefährt getauscht. Fehlt nur noch ein vernünftiger Motor...“ brummelte er und seufzte anhaltend. Bilder aus der Vergangenheit kamen hoch – eine verrückte, aufregende und schöne Zeit, in der wir gemeinsam mit unseren Bike‘s das Land durchstreiften. Die Touren durch die Berge mit ihren Serpentinen, die uns einen besonderen Kick gaben. Mehr als fünfzehn Jahre waren seit dem vergangen, als wir damals im Streit auseinander gingen und jeder seiner Wege zog. Familie, Kinder – Job und was sonst den Alltag verschönert, nahmen mich gefangen. Ich hatte nie wieder was von ihm gehört.
„Was ist passiert? Willst darüber reden?“ fragte ich leise an, doch er schüttelte den Kopf. „Nicht heute und nicht jetzt. Vielleicht später mal…?“
Im Dienstzimmer sah ich mir seine Akte an und studierte die Berichte der Ärzte.
„Jetzt sitzt er seit sieben Jahren im Rollstuhl – aber die Ursache kann ich nirgendwo finden? Unfall oder was anderes…?“
Wir sahen uns fast täglich, während ich meinen Job verrichtete. Manchmal war ich in seinem Wohnbereich und hatte dann mehr Zeit, mit ihm zu reden.
Eines Tages, es waren bereit mehrere Monate vergangen, stand die Feuerwehr vor der Tür, als ich ankam. Das passiert bei uns öfter, wenn in der Einrichtung ein Notfall eintrat. Trotzdem überkam mich eine merkwürdige Unruhe, als der Fahrstuhl aufging und die Trage sichtbar wurde. Die Sanitäter und zwei Ärzte drängten mich zur Seite. Ich erhaschte einen Blick – es war Jochen.
„Was ist passiert?“ fragte ich, aber einer der Ärzte schüttelte nur den Kopf und winkte ab.
„Wir können nix machen – wir bringen ihn ins Krankenhaus!“ brummelte er. Weg waren sie. Im Haus herrschte Aufregung. Eine Kollegin saß auf dem Stuhl, sie war den Tränen nahe. „Ich habe ihn vorhin auf dem Boden gefunden. Er muss aus dem Bett gefallen sein. Die Ärzte sagen was von einem Cocktail, den er zu sich genommen hat.“ Ich kapierte nicht sofort, was sie meinte. „Hat er sich die Kante gegeben und Einen gesoffen?“ fragte ich. Er hatte mir erzählt, dass er nach seiner Scheidung Trost suchte und dem Alkohol zugeneigt war. „Kein Suff – Tabletten!“ kam kurz von ihr. Mich traf es wie ein Schlag.
Zwei Tage später kam die Nachricht, dass er es nicht geschafft hatte.
Beim Aufräumen seiner wenigen Habseligkeiten fanden wir einen Abschiedsbrief – an mich adressiert. Einige Sätze darin blieben mir für immer im Gedächtnis haften: Das Leben war für mich ein Spiel mit dem Feuer. Heute weiß ich, dass man darauf achten muss, das daraus kein Flächenbrand entsteht. Wer die Kontrolle verliert, hat keine Chance. Ich habe mich einmal überschätzt, hielt mich für unverwundbar – und habe mich selber bei einer Tour aus dem Leben katapultiert. Lähmung, Rollstuhl und Suff – meine Familie weg. Dass macht alles keinen Sinn mehr…!
Das ist inzwischen fünf Jahre her. Manchmal, wenn ich heute an diese Tür klopfe, wünsche ich mir, ihn dort im Rollstuhl sitzen zu sehen…
By Hunter |
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susi61 entdeckend
Anmeldedatum: 04.12.2017 Beiträge: 116
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 12:10 pm Titel: |
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Diese Geschichten, die das Leben schreibt, sind nicht einfach zu ´verdauen`.
Jeder kennt sie, jeder war in seiner Umgebung einmal davon betroffen oder wird es sein.
Der grösste und nachhaltige Effekt den sie hervorrufen in uns selbst, birgt immer die Gefahr einer mitbeteiligten Schuldsuche. Eine, auch teilweise unbewusste Fragestellung an uns, ob wir bestimmte Dinge hätten verhindern können. Vielleicht wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, Hilfe angeboten, mit Rat und Tat zur Seite gestanden wären....
Aber Lebensentscheidungen können wir anderen nicht abnehmen und in den aller seltensten Fällen durch unser Zutun ändern. Was wir können, ist akzeptieren lernen keinen Einfluss auf Umstände zu haben die nicht von uns verursacht wurden.
Unser Gewissen ist auch ein Spiel mit dem Feuer. Je mehr Schuldsuche, oder dem Gefühl nicht wahrgenommener sozialer Verpflichtung, bestärkt nicht los lassen zu können.
Das nimmt Kraft, unglaublich viel Kraft die zur Bewältigung eigener Geschicke fehlt.
Was mir in dieser speziellen Geschichte von Hunter besonders gut gefällt sind seine Erinnerungen an "eine verrückte, aufregende und schöne Zeit, in der wir gemeinsam mit unseren Bike´s das Land durchstreiften."
Ein Teil deines eigenen Lebens, lieber @Hunter, nicht verschwunden durch den Tod des Freundes, aber noch viel intensiver als damals empfunden. |
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Ingenieur57 entdeckend
Anmeldedatum: 12.11.2011 Beiträge: 460
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 1:30 pm Titel: |
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Ich wünsche mir (und Dir?), lieber Hunter, dass ein großer Teil Deiner Geschichte weniger den erlebten Tatsachen entspricht, sondern mehr der dichterischen Freiheit.
Nicht nur einmal in meinem Leben sind Todesfälle meinen Vorsätzen/Vorhaben ("den musst Du noch einmal besuchen", "mit dem muss ich noch darüber reden", ...) zuvorgekommen und es bleibt ein Schuldgefühl zurück, was nicht mehr korrigiert werden kann. |
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willfriedo0 entdeckend
Anmeldedatum: 14.12.2009 Beiträge: 1112 Wohnort: bei Lüneburg
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 2:32 pm Titel: |
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Ich habe einen Freund schon vor längerem an Krebs und dann Alkohol verloren, eine fiese Mischung... _________________ Behandle Menschen so, wie Du selbst behandelt werden willst. |
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Hunter entdeckend
Anmeldedatum: 28.04.2016 Beiträge: 676
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 6:28 pm Titel: |
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ich habe eine weile gebraucht, diesen brocken zu verdauen.
ich weiß, dass ich diese entscheidung nicht beeinflussen konnte - insofern habe ich keine schuldgefühle. aber einige dinge sind immer präsent im kopf - zumal ich seine familie kenne und kontakt zu ihr habe.
es ist keine dichterische freiheit, sondern einfach mal aus dem leben gegriffen. |
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Trevita1 Nicht mehr wegzudenken
Anmeldedatum: 24.03.2017 Beiträge: 3782
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 7:01 pm Titel: |
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Manche von uns kennen sicher solche tragischen Ereignisse und jeder sucht bei sich ein Quäntchen Schuld, warum er nicht eher erkannt, reagiert, und nach Möglichkeit geholfen hat...
Alles im Leben ist Schicksal, Vorsehung, wie auch immer... |
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dersenior entdeckend
Anmeldedatum: 20.07.2017 Beiträge: 749
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Verfasst am: So Sep 16, 2018 8:58 pm Titel: |
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Du planst und denkst du machst alles richtig ,hast alles im Griff ,
Aber hinter der nächsten Hecke sitzt das " Schicksal " und lacht und lacht und... |
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Hunter entdeckend
Anmeldedatum: 28.04.2016 Beiträge: 676
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Verfasst am: Mo Sep 17, 2018 8:58 am Titel: |
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das leben ist nun mal wie eine achterbahn - mal oben, mal unten. wohl dem, der in den kurven nicht aus der bahn geworfen wird...
eine stressfreie woche. |
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southpool entdeckend
Anmeldedatum: 12.03.2010 Beiträge: 1857
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Verfasst am: Do Sep 20, 2018 8:56 am Titel: |
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Wie meinst du das mit den Kurven?
Von Seiten eines Mannes betrachtet?
Bin ich jetzt vom Thema weg? Zum Titel passt aber mein Kommentar noch oder?
Zum ernsten Hintergrund deiner Thematik zurück:
Ich denke, es wird manchmal auch nicht so leicht sein und nicht jeder ist dazu geschaffen, das "Elend" einer guten "Freundschaft" (gerade unter dem Aspekt sich irgendwann mal aus den Augen verloren zu haben) nach langer Zeit des Wiedersehens dann gut zu verdauen.
Es fehlt der gemeinsame Weg zwischendrin, denn zwischenzeitlich hatte jeder sein eigenes Leben geführt... mit allen Höhen und Tiefen. |
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