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Verfasst am: Do Nov 21, 2013 10:07 pm Titel: Pauls Augen |
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Pauls Augen
Merkwürdig, im Grunde hätte mich das alles überraschen müssen. Aber im Grunde wundere
ich mich nur. Und ich genieße. Es tut mir gut. Manchmal kommt ein leichter Gedanke hoch, der mich an so was
wie Schuldgefühle erinnern will. Aber diesmal nicht, diesmal fühl’ ich mich stark. Denn es ist gut.
Ein wehmütiges Gefühl beschleicht mich, wenn ich mich zurückerinnere an das, was seine Augen in mir auslösten.
Aber auch an das, was sein Lächeln, seine Gestik, seine Stimme bewirkten - und lächelnd erinnere ich mich an seinen
knackigen Po.
Anfangs verschwendete ich kaum einen Gedanken an ihn. Ich lebte ja in einer Beziehung – nicht unbedingt
glücklich, weil mein Lebensgefährte eigene Wege ging, aber der Gedanke an einen „Neuen“ beschäftigte mich nicht
wirklich. Eigentlich schon allein aus dem Grund nicht, weil Beziehung mich niederzudrücken schien. Und Paul war ganz
weit entfernt, tauchte erst überhaupt nicht auf in meinen Gedanken.
Beeindruckt hat er mich durchaus, als ich ihn das erste Mal sah. Die erste Teambesprechung, an der ich
teilnahm. Er war zwar der Chef, benahm sich jedoch nicht so. Paul stellte sich nicht in den Vordergrund, war
jedoch „präsent“, und er ging aufmerksam um mit den Menschen, die ihm gegenüber saßen. Auch mit mir.
Vielleicht sogar einen Tick aufmerksamer, um mich als „Neue“ besser einbeziehen zu können. Jedenfalls nahm
er mir einen großen Teil meiner anfänglichen Befangenheit, und ich fühlte mich aufgenommen, angenommen und
Tage später sogar irgendwie gleichberechtigt. Ich fühlte mich also rundherum wohl.
Die neuen Kollegen waren nett, und wenn Paul vorbei kam, ging er nicht, ohne eine Bemerkung für mich
zu hinterlassen. Ich habe oft gelacht wegen ihm. Irgendwie schien er mich zu mögen, und als meine Kolleginnen
das nach und nach mit süffisanten Bemerkungen quittierten, empfand ich das irgendwie lustig - aber irgendwie
schmeichelte es mir auch. Zumindest musste ich mit schmunzeln darüber. Und seine Mails an mich
enthielten stets eine kleine Geste.
Nein, er war wirklich und einfach nur nett. Es ging mir besser in jenen Tagen, er war so was wie ein
kleiner „Lichtblick“, den ich zunächst genoss, und auf den ich mich später sogar schon auf dem Weg ins Büro
freute, denn er nahm mich raus aus meinem Alltag.
Aber Paul war zu jung für mich. Wohl so gut 15 Jahre trennten uns. Trotzdem trieb eigentlich der Schalk
mich manchmal in Was-Wäre-Wenn-Gedanken: Wie es wäre, mit ihm zu lachen. Oder Rad zu fahren. Am
Strand spazieren zu gehen. Mit ihm zu reden, ganz allein. Ich ertappte mich sogar dabei, dass ich
während einer Besprechung versuchte, eine Nase voll von seinem Duft zu erhaschen, um zu riechen, wie er roch …
Ja, er war wirklich ein Mann, der mir eine Sünde wert gewesen wäre, wäre ich jünger gewesen, dachte ich
manchmal lächelnd. Er hatte eine sehr kluge, warme, aufmerksame und herzliche Art. Es war nicht so, dass
ich mich hingezogen fühlte zu ihm, aber irgendwie beeindruckte er mich auf eine feine Art.
Manchmal machte es mich selbst ein wenig ratlos, wenn ich bemerkte, wie oft ich an ihn denken musste. Mit
Freunden und sogar meinem Lebensgefährten sprach ich über ihn, weil er wirklich so bemerkenswert war. Aber
klar, meinem Freund ging das wie üblich am Arsch vorbei, aber das war ja auch nicht wichtig. Morgen konnte ich
wieder ins Büro …
Irgendwann veränderte sich das alles. Wieder ein Meeting, wieder wilde Diskussionen, aber über diesem
kleinen Durcheinander „schwebten“ irgendwie seine Stimme, sein lächelnder Mund und seine Augen. Ich war
ein wenig unkonzentriert, doch als er sich verabschiedete schien er bemerkt zu haben, dass ich ihn
die ganze Zeit unbewusst beobachtet hatte. Jedenfalls schaute er mich an, ganz plötzlich und ganz offen, so dass
ich mich richtig erschrak. Und dieser Blick galt nur mir. Ein Blick war das, der mir heiß durch die Brust schoss,
in meinem Magen krampfte und eine warme Welle in den Kopf schickte. Nur ein ganz kurzer Blick war das,
aber er schien so viel zu erzählen.
Natürlich hatte ich mich in der Gewalt. Niemand hatte diesen Blick bemerkt, und auch, dass
ich vor der Tür erstmal nach Luft schnappen musste, kriegte niemand mit. Aber es war ein merkwürdiges
Gefühl, diesen Blick an meinen Arbeitstisch zurück zu tragen. Ich kann’s kaum beschreiben, aber es war
irgendwie ein Gefühl von Süße, von Wärme und merkwürdigerweise von Trauer – aber ein Gefühl, dass sich,
nachdem es meinen Magen verlassen hatte, warm im ganzen Körper ausbreitete. Es rauschte in den Ohren,
und meiner Konzentriertheit war das an jenem Tag überhaupt nicht förderlich.
Auch mit nach Hause nahm ich diesen Blick. Mein Kopf raste und ratterte, um zu ergründen, welche Bedeutung
dahinter stecken könnte. Und auch die Gefühle, die damit einher gingen, waren noch alle da. Und die machten
mich unruhig, denn so richtig wusste ich nicht, wie ich zu Hause und allein damit umgehen sollte. Alles, was
ich anfasste, legte ich wieder aus der Hand, und eigentlich nichts konnte ich zuwege bringen. Das machte
mich zwar ein wenig ratlos, aber spannend war es doch.
Fast froh war ich, als mein Freund nach Hause kam, weil er mich ablenken würde. Andererseits stellte ich
schnell fest, dass er dann doch irgendwie störte. Was war nur los mit mir?
Der Abend kam mir sehr lang vor, bis wir endlich zur üblichen Zeit ins Bett gingen. Wie üblich hatten
wir uns das Übliche gesagt, die übliche Fernsehsendung gesehen und die üblichen Berührungen getauscht –
er massierte meinen Fuß und ich kratzte ihm den Rücken. Dann lagen wir wie üblich nebeneinander, er sagte
wie üblich „’nacht, Schatz,“ drehte sich um und schlief bald ein. Ich selbst lag noch lange wach. Aber die
Unruhe war gewichen, ich konnte jetzt in Ruhe fühlen, ich spürte Leichtigkeit und Wärme mich umgeben,
und es war nicht mehr verwirrend, sondern irgendwie „gut“. Ganz entspannt schlief ich ein an diesem Abend.
Am Morgen erwachte ich mit der Erinnerung an Pauls Blick. Wieder wurde mir warm, aber diesmal war das Gefühl
toll, beschwingend, moussierend. Ich war sofort hellwach. Sonst musste ich morgens immer noch ein
Stündchen im Bett vor mich hinlullern, während mein Freund in der Küche saß, den ersten Kaffee trank und die
erste Zigarette rauchte – das war seine Art, den Tag zu beginnen. Doch heute war ich richtiggehend froh
über dieses Ritual. So konnte ich noch ein wenig baden in den Empfindungen, die mich so ausfüllten
und über die ich mich jetzt so freute.
Auch Frühstück und Abschied waren dann wie üblich, und als er aus dem Haus war, ging ich als erstes
an meinen Rechner, um die eMails zu checken. Herzklopfen – und dann doch nach viel zu langer Zeit die
Info über keine empfangene Mail. Aber ich war nicht enttäuscht. Im Gegenteil, ich genoss es, dass es
immer heißer wurde, denn ich würde eine bekommen, da war ich sicher. Und darauf freute ich mich.
Die erste Mail kam eine Stunde, nachdem ich im Büro war. Es war eine schöne Mail, obwohl er mich weiterhin
sietzte und es eigentlich um eher produktionstechnische Dinge ging. Aber sie fühlte sich anders an, diese
Mail. Und ich antwortete ihm ein wenig persönlicher als sonst. Und ein wenig aufgeregter als sonst.
Und auch anders als sonst kam diesmal schnell eine Mail zurück. Er hatte es bemerkt und darauf reagiert.
Darüber freute ich mich sehr. Und als ich nachmittags die nächste Mail bekam, ging ich wieder einen
kleinen Schritt auf ihn zu.
Aufregend war das, wie ein „gefährliches“ Spiel. Naja, ich wollte ja nicht wirklich was von ihm, aber gespannt
war ich schon, womit er mich beim nächsten Mal überraschen würde. Es war einfach toll. Und irgendwie
schien ich jünger geworden zu sein, denn manchmal fühlte ich das Mädchen in mir. Ich spürte mich
leben! Und Paul war’s, der es mich wieder spüren ließ. Dadurch war er mir zwar nicht nah, aber „weg“ war er
auch nicht mehr. Ich wusste, er würde oben in seinem Büro sitzen und in der ihm eigenen ruhigen Art
genauso über meine Worte schmunzeln, wie ich über die seinen.
Unser Mailverkehr in den nächsten Tagen nahm zu. Sogar private Bemerkungen flossen ein, kleine
Hinweise, und schließlich beschlossen wir sogar das Du. Es war halt einfacher so.
Ich mochte ihn nicht mehr missen, „meinen“ Paul. Keine Ahnung, wohin uns das führen würde, aber das
war ja auch egal. Die Gefühle waren schön. Und sie wurden immer schöner, immer wärmer und
immer aufregender. Ich wurde immer ungeduldiger, fast kam es mir vor, wie eine kleine Sucht.
Morgens wurde ich immer ungeduldiger im Warten darauf, dass mein Freund die Wohnung verließ. Ich
freute mich richtig auf diesen Moment, denn ich wusste, das eine Mail auf mich wartete.
Der Gedanke, das, was wir per Mail austauschten, auch persönlich erleben könnten, kam mir nur
mit der üblichen Vorsicht, wurde aber schnell zu einem Wunsch, für den ich mich allerdings zunächst
schalt. Doch er weckte Sehnsucht in mir. Es war ein schöner Gedanke, ein schöner Wunsch, ihm einmal
persönlich seinen Blick erwidern zu können, seine Stimme nur für mein Ohr bestimmt zu hören oder seine
Hand zu fühlen. Daran, von ihm in den Arm genommen zu werden, mochte ich gar nicht denken. Auch nicht
daran, ihn zu riechen.
Und ich dachte es doch.
Andeutungen gab es genug in seinen Mails. Sie waren zwar kurz, doch erzählte er von sich. Erzählte
von seinen Hobbies, seinem Leben, seinen Urlauben und seinem Alltag. Nur warum traute er sich nicht,
mich zu fragen? Nur ein Spaziergang. Oder eine Tasse Kaffee irgendwo. Es war nicht so, dass ich darauf wartete.
Aber fehlen tat es mir durchaus. Ich hätte mich dann ja immer noch entscheiden können. Außerdem
wäre es ja nur Kaffeetrinken gewesen. Oder ein Spaziergang.
Der Gedanke, ihn selbst zu fragen, schien mir selbst sehr phantastisch. Das war nicht meine Art.
Aber es war ein stimulierender Gedanke. Die Idee verursachte ein leichtes Kribbeln, und als ich an jenem Tag –
es war ein Samstag, und mein Freund hatte glücklicherweise im Büro zu tun - das erste Mal meinen
Rechner einschaltete, war ich körperlich erregt. Sogar die Finger zitterten ein wenig.
Seine Mail wie immer sehr herzlich und sehr warm. Ein herrlicher Morgengruß. Kaum konnte ich
atmen, als ich mich an die Antwort machte. Ich wusste, heute war der Tag, und ich zeigte ihm, wie ich mich
über ihn freute. Zurück kam jedoch auch wieder nur Freude, und eine Bemerkung zum herrlichen
Sommerwetter – nur keine Einladung. Auch keine Andeutung. Aber das war nicht schlimm, er traute sich
wohl nicht ob seiner Sensibilität. Und dann fasste ich mir ein Herz, schrieb ihm einen für mich unglaublichen
Satz: „Das Wetter ist so schön, dass man heute eigentlich an den Strand fahren müsste, um einen Spaziergang zu machen …“
Robert Kühl |
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Google
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Verfasst am: Titel: Sponsored Link |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 11:38 am Titel: |
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.... geht es auch einigen anderen lesern so, dass ihr euch nicht ganz klar seid, was @Ernu uns mit diesem artikel sagen will??
ist es eine andeutung, dass er bi-sexual ist? ist es " nur " eine geschichte? *steht ja in der richtigen rubrik*...
ob es wohl eine fortsetzung gibt, oder eine aufklärung? die spannung steigt |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 12:01 pm Titel: |
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Ich habe diese Geschichte gelesen und habe mich gefragt wie es kommt das ein Mann sich so feinfühlig ausdrücken kann. Es knistert beim lesen und bei einigen Gedanken die ich las konnte ich Parallelen zu vergangenen Ereignissen ziehen.
Enu beschreibt unter anderen sehr schön wie wichtig "Augenblicke" sind und das sie für ihn wohl viel bedeuten.
Der Gedanke das er bisexuell ist kam mir nicht beim Lesen. Doch das mag daran liegen das Jeder anders liest, anderes heraus liest.
Mir erzählt die Geschichte auch das Frau / Mann empfänglich für Signale von anderen ist wenn in der eigenen Beziehung etwas fehlt. Wird das in der Beziehung nicht besprochen und etwas geändert ist ein Seitensprung mit welchen Folgen auch immer nicht ausgeschlossen. |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 12:14 pm Titel: |
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Ich lese " Story einer Frau".
Beschrieben wurde sie aber von Enw...was soll daran Bisexuell sein?
Ena...per PN nachfragen,wäre eine Möglichkeit ...oder abwarten...wäre spannender |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 12:57 pm Titel: |
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....du kannst sehr gut zwischen den zeilen lesen @Zornröschen , gewisse dinge sind mir auch aufgefallen! es ist auch richtig, das jede/r anders liest und versteht!
@NWG - hmmm, hätte ich per PN fragen sollen? ich möchte es lieber hier diskutieren.... nun warten wir ab! *mit füßen trippel * |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 1:14 pm Titel: |
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Da bin ich schon *g*
Nein, ich bin nicht bisexuell. Mit Sex hab' ich sowieso
grundsätzlich nichts am Hut, ich spiel' lieber Backgammon.
Diese Geschichte ist eigentlich mal "Ausprobieren" gewesen.
Sie ist passiert. Vielleicht nicht genauso, aber doch ähnlich.
Und ich wollte ganz bewusst mal aus weiblicher Sicht schreiben.
Meine Freundin hatte sich in einen anderen Mann verliebt.
Das hab' ich gespürt damals. Und eigentlich hab' ich diese
Geschichte geschrieben, um ihr einen Spiegel vorzuhalten.
Das Fatale daran war aber, dass es mein eigener Spiegel wurde.
Denn das, was darin über mich zu sehen ist, entsprach der Wahrheit.
Sie ist übrigens nicht mit ihm an den Strand gefahren |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 1:30 pm Titel: |
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Ich liebe dieses feinfühlige, manchmal subtile Schreiben sehr, Röschen. Oft stecken Berührungen darin. Es sind die schönsten Geschichten, die
so entstanden sind. Wenn ich "Pauls Augen" auch nicht als perfekt empfinde, ist sie gut genug zum "zeigen".
Eine wirklich perfekte - für mich - ist die folgende.
Hänschen und Marie
Marie genoss diesen Moment des Alleinseins. Innerlich fast schwebend saß sie auf dieser Bank
am Molfsee, einem See in der schleswig-holsteinischen Landschaft. Mit geschlossenen Augen und zurückgelegtem
Kopf genoss sie die Strahlen der Abendsonne in ihrem Gesicht, spürte den kühlen Hauch des Abendwindes
auf ihrer Haut. Tiefes Atmen und das Spüren ihres Lebens, die Schreie der Vögel von der Möweninsel und
das leise Plätschern der Wellen am Uferrand bescherten ihr einen dieser dankbaren Momente, in denen man
das Alleinsein genießt, ohne sich einsam zu fühlen.
Es war die Bank ihrer Kindheit. Vor über dreißig Jahren hatte sie hier ihren ersten Kuss bekommen, eine
heimliche Zigarette geraucht, Rotwein aus der Flasche getrunken. Sie dachte zurück an diese lärmenden
Abende mit ihren Freunden. An Peter, den Wilden, der neunzehnjährig bei einem Motorradunfall starb; an
Horst, den Lautesten von ihnen, der heute als erfolgreicher Bauunternehmer und Vorsitzender
der Freiwilligen Feuerwehr die Geschicke des Dorfes mit in der Hand hat; an Martina die mit 15 gerade
das dritte Mal verlobt war und mit 18 schon verheiratet, an Siegfried, den Fussballbegeisterten, der noch heute
in der Alten Herren von früheren „glorreichen“ Zeiten erzählt; und Hans fällt ihr ein, der Stille, der durch seine tiefe
Nachdenklichkeit stets etwas geheimnisvoll und zart erschien.
Hans war es, der sie damals zum ersten Mal küsste. Hier, auf dieser Bank. Ängstlich, zurückhaltend und ein
bisschen tumb, so dass sie noch heute darüber lächeln muss. Dabei erschien ihr dieser Kuss trotz dieser
Ungelenkheit so unglaublich zärtlich und sanft.
Und ein paar Wochen später hatte sie ihm so weh getan in ihrer kindlichen Naivität – ob er heute noch genauso
an diesen Moment zurückdenkt, wie sie es jetzt tat? Sie würde ihm gerne sagen, dass das, was sie damals
nur als lächerlich empfand, so tief ging, dass sie es manchmal heute noch als fernen, wehmütigen Schmerz spürte.
Damals, nach diesem Kuss, trafen sie sich fast jeden Abend an dieser Stelle – heimlich, die Clique sollte
es nicht wissen. Es war ein Sommer mit langen, milden Abenden. Beide konnten sie nicht schwimmen
und hatten das vor den anderen stets zu verbergen gewusst. Trotzdem gingen sie nun ins Wasser. Gemeinsam,
Hand in Hand. Bis zum Bauch und ein wenig tiefer.
In den Abendstunden schien das Wasser besonders lau. Der Wind, der schon die beginnende Kühle der
Nacht in sich trug, umfächelte ihre Schultern. Das Wasser spürten sie mild an ihren Körpern. Und wie einen
schwachen elektrischen Strom spürten sie etwas über ihre Hände in die Körper fließen. Ohne dabei zu reden
genossen beide still die Geborgenheit, die sie durch die Ruhe ringsherum zu umarmen schienen. Und niemals vorher
empfand Marie die Sonne, die hinter dem Wäldchen hinter der Vogelinsel unterging, so tief, so rot, so leuchtend
und so warm wie in jenen Tagen.
Erst als nur noch ein dunkelroter Schimmer in den Abendwolken zu erkennen war, die Dämmerung
über den Tag zu gewinnen begann und die Kühle sich durch ein leichtes Zittern im Körper bemerkbar machte,
gingen sie an das Ufer zurück, trockneten sich mit den weißen Frotteetüchern ab, die über der Bank lagen,
und liefen Hand in Hand heimwärts.
Marie wunderte sich darüber, wie wenig sie eigentlich damals miteinander sprachen. Denn sie hatte immer
das Gefühl gehabt, sie hätten viel miteinander geredet. Und sie wunderte sich darüber, wie selbstverständlich
sie ihr Zusammensein empfunden hatte.
Es waren wunderschöne Abende gewesen. Doch schon bald hatte Marie den Wunsch, auf den See hinaus
zu schwimmen – hinein in die flachen Wellen, die den rötlichen Widerschein des Abends in sich trugen.
Eines Tages – Hänschen war im Zeltlager – sprach sie mit ihrer Mutter darüber, und die zeigte ihr die ersten
Trockenübungen; Onkel Karl ging an einem Samstagnachmittag mit ihr an den See, um sie bei den ersten
Versuchen zu halten und zu leiten. Prima ging’s, und von Tag zu Tag wurden die Kreise, die sie schwimmen
konnte, größer.
Den ersten gemeinsamen Abend nach Hänschens Zeltlager empfand sie als etwas ganz Besonderes.
Marie hatte sich sehr darauf gefreut und saß schon eine halbe Stunde auf der Bank, bis er endlich kam. Kein Kuss,
nur dieser strahlende Blick, als er sich langsam bis auf die Badehose auszog. Innerlich lachte sie und
wusste gar nicht so richtig, warum. Als Hänschen dann ihre Hand nahm, schmiegte sie sich eng an seine Arm.
Ganz langsam taten sie die erste Schritte, doch plötzlich liefen sie Hand in Hand in den See hinein und blieben
schweratmend dort stehen, wo sie gerade noch Grund hatten.
Und wieder empfand Marie alles so wunderschön, so warm und so leuchtend. Allein schon ihr eigenes
Atmen und das Pochen ihres Herzens schienen die Stille zu stören. Ganz stark fühlte sie sich, und sie fühlte sich
unheimlich stark, als sie seine Hand los ließ und die ersten Schwimmzüge machte. Es war einfach herrlich,
durch das Wasser zu gleiten und der untergehenden Sonne ein Stück entgegen zu schwimmen.
Marie genoss das alles, vergaß dabei Zeit und Raum und konzentrierte sich nur auf das Schwimmen und auf
das, was um sie herum war. Sie war sehr stolz auf sich, als sie sich nach einiger Zeit das erstemal umblickte.
Und da sah sie Hänschen, der gerade die letzten Schritte zum Ufer zurücklegte, sein Handtuch nahm und sich
bereits anzog, während sie noch zurück schwamm.
Als sie sich abtrocknete, stand er wartend neben ihr. Und doch hatte sie den Eindruck, er wäre meilenweit von ihr
entfernt. Kein Wort zwischen ihnen, kein Händchenhalten, kein Laufen und Lachen auf dem Nachhauseweg
und nur ein ausweichender Blick beim Abschied.
Es war damit der letzte Blick, den Hänschen Marie schenkte.
Es war vorbei.
Marie hatte Schwimmen gelernt ...
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 2:33 pm Titel: |
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....verstehe ....wie tiefgründig, hintersinnig und wunderschön...du bist ein AUTOR Ernu *daumen hoch* |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 2:57 pm Titel: |
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Also Autor so richtig auch nicht. Schreiben ist einfach mein Hobby, und das, was ich schreibe, schreibe ich einfach "nur so". Es ist ein Hobby wie jedes andere - Fotografieren, Malen, Häkeln ... |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 4:07 pm Titel: |
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In jedem Menschen steckt, aus meiner Sicht ein " Bi" und es ist durchaus legitim, sich auch zum eigenen Geschlecht hingezogen zu fühlen. Warum auch nicht?? Manchmal findet man beim anderen Geschlecht nicht das, was man gerade zum Glück oder zur Erfüllung braucht. Das muss nicht zwangsläufig zu einer gleichgeschlechtlichen Beziehung führen..kann aber..
Was hat es nicht schon für Tragödien gegeben, weil Menschen sich im "falschen" Körper gefangen fühlten..
Das ist aber, glaube ich, nicht das Thema von "Paul's Augen", sondern in einer sehr feinfühligen und berührenden Art hat der Autor zum Ausdruck gebracht, wie die Augen eines Menschen einen anderen fesseln und faszinieren können, welche Gefühle sie in einem anderen Menschen auslösen können und wie man, staunend, selbst diese Gefühle wahrnimmt.
Die Geschichte wirkt authentisch, und der Leser folgt der Entwicklung gespannt und berührt. |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 8:54 pm Titel: |
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Ja, ich gesteh's. Ein bisschen bi bin ich - ich hab' eine männliche und eine weibliche Seite *g* Beide sind sie allerdings nicht besonders ausgeprägt |
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Gast
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Verfasst am: Sa Nov 23, 2013 11:35 pm Titel: |
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Ernuwieder hat Folgendes geschrieben: | Ja, ich gesteh's. Ein bisschen bi bin ich - ich hab' eine männliche und eine weibliche Seite *g* Beide sind sie allerdings nicht besonders ausgeprägt |
Mhmm....
also entweder bist Du XXXXXXXXXXX oder es handelt sich um geklauten Content aus dem Netz?
Warum hier einstellen, wenns doch schon wo anders steht?
Vom Urheberrecht mal ganz abgesehen...
Hab kein Bock auf Leute, die sich mit fremden Federn schmücken.
Egal, ob Fotos, Worte oder sonst was.
->persönliche Meinungsäußerung, kein Angriff<-
Gruß, Rainbow |
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Inselmaus entdeckend
Anmeldedatum: 10.11.2009 Beiträge: 2491 Wohnort: Samara Costa Rica
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Verfasst am: So Nov 24, 2013 12:15 am Titel: |
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@Rainbow, unser pfiffiger sherlock holmes.
enw will uns einfach teil haben lassen....kredenzt uns ein paar Schmankerl seiner Werke. |
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Gast
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Verfasst am: So Nov 24, 2013 7:17 am Titel: |
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"Hänschen und Marie" ist tatsächlich eine perfekte Geschichte. Zum einen führt sie uns in unsere eigene Vergangenheit zurück. Wir waren jung, unbeschwert, neugierig auf das Leben..und die Liebe. Die ersten zaghaften Versuche mit dem anderen Geschlecht..der erste Kuß..die erste Berührung! Diese Erinnerung bleibt ein Leben lang.
Dann kommt das wahre Leben..man entwickelt sich, wächst an seinen Erfahrungen! Dann passiert es eben, wie bei Hänschen und Marie, einer bleibt hinter dem anderen zurück, und eine Beziehung zerbricht.
Danke für diese Geschichte. Sie gibt viel Raum zum Nachdenken..
PS Der Titel an sich enthält schon eine Botschaft..Hänschen ist der, der zurückbleibt..sonst könnte der Titel " Hans und Mariechen" lauten...
Zuletzt bearbeitet von Gast am So Nov 24, 2013 3:37 pm, insgesamt einmal bearbeitet |
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Gast
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Verfasst am: So Nov 24, 2013 11:11 am Titel: |
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XXXXXXXXXXXXXX?
Wer ist das nu wieder? Muss frau den kennen? |
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